Blathnaid

vindoatus

Mäusologie-Meister*in
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Im Februar 2006 wurden hier übers Forum vier Labormäuse aus Greifswald vermittelt. Geboren waren sie im Juni 2005 und hatten über sechs Monate im Labor verbracht.

Schon als ich sie das erste Mal sah, wie sie in einer Transportbox wie in Trance im Kreis rannten, so schnell, daß Inge und ich sie kaum herausfangen konnten, um sie obligatorisch zu punkten, dachte ich: Diese Tiere sind wirklich fertig. Sie waren hochgetresst und nervös.
Zu Hause angelangt, schlug die Vergesellschaftung fehl. Ich ließ die Mädchen unter sich. Leider trennten sich die Vierergruppe in die zwei ursprünglichen Zweiergruppen auf, und nachdem Blathnaid, die bei der mißglückten Vergesellschaftung gebissen worden war und eine Wunde davontrug, aus dem Nest vertrieben wurde und nicht einmal ans Futter durfte, trennte ich die vier in zwei mal zwei. Die Tiere sollten endlich ihre Ruhe bekommen.

Die nächsten Wochen waren hart --- für mich. Es war nicht leicht, als Mensch mitanzusehen, wie verhaltensgestört diese Mäuse waren, weil ich wußte, daß die Laborbedingungen sie zu dem gemacht hatte, was sie waren. Aber sie selbst waren sich dessen natürlich nicht bewußt und litten nicht darunter. Bei Stress verfielen sie in stereotypes Im-Kreis-Laufen und waren unansprechbar. Sie kannten nichts, sie mußten lernen, das Futter in die Pfoten zu nehmen, lernen, ein Nest zu bauen, lernen, wie man klettert und die Balance hält. Die ersten Wochen mußte ich sie auf Küchenpapier halten, weil ihr Immunsystem mit Streu und Heu überfordert war --- die Mäuse reagierten mit ganzkörperlichem Juckreiz. Nach und nach tauschte ich Küchenpapier gegen Streu, Heu und Stroh aus, bis ich nach mehreren Wochen endlich die Mäuse wie meine anderen Mäuse halten konnte. Die kleinen Fortschritte freuten mich sehr: ich war stolz, als die Kleinen das erste Mal begannen, aus Toilettenpapier ein Nest zu bauen. Die meisten Instinkte setzten sich durch: sie begannen zu nagen, tagsüber in einem Versteck zu schlafen, und irgendwann ließen sie sich auch überreden, Frischfutter zu probieren.

Die beste Entdeckung auf beiden Seiten waren Backoblaten: endlich hatte ich etwas, was ich den Greifswaldern abends als Leckerei geben konnte! Denn die übrigen Leckerchen wie Sonnenblumenkerne oder Kürbiskerne mochten sie nicht.

Blathnaid war die Sensibelste unter den vieren, die, welche die meisten Verhaltensabweichungen zeigte. Mit ihrer Freundin Muireann lebte sie entspannt zusammen, sie wußte ja nicht, dass andere Mäuse sich anders verhalten. Für sie war alles ganz normal. Sie litt nicht unter ihrem Zustand. Das Kreiseln nahm immer mehr ab, und zuletzt zeigten sie es höchstens alle paar Wochen kurz.

Im Juni wurden sie alle zwei Jahre alt. Vor kurzem entwickelte sich ein ungewöhnlicher Tumor an Blathnaids Schwanz, den die TÄ als Hämangiosarkom einstufte --- ein eher seltener Fall, aber Blathnaid war leider eine jener Einzelfälle. Für eine Amputation des Schwanzes war es zu spät, die Kleine hatte ein Herzgeräusch und hätte nach Einschätzung der TÄ die Narkose nicht überlebt. Etwa zwei Wochen hatte ich als ungefähren Richtwert --- es blieb bei einer. Am 7. Juni wurde ich zufällig Zeuge, wie Blathnaid starb. Da ihr Herz schon schwach war, hoffe ich, daß es ein kurzes, schmerzarmes Herzversagen gewesen ist.

Kleine Blathnaid, ich wußte eigentlich von Anfang an, daß du die erste der Vier sein würdest, die ginge. Der Tumor schien noch nicht metastasiert zu haben, das war gut. Ich hoffe, du hast das Labor hier bei mir vergessen können. Danke, daß ich dich kennenlernen durfte und so viel von dir gelernt habe.

Euch kleinen Labormäuse trage ich sowieso ganz tief im Herzen.

Leb wohl, ich passe gut auf deine Freundin auf, ich verspreche es dir.
Du bleibst in meinem Herzen.


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Tumor am Schwanz
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Wibke, wenn Du schreibst kommen mir immer die Tränen*traurig*
Aus Deinen Worten spricht so viel Liebe und Verständnis für die einzelnen Maus.

Sie hatte ein wunderschönes Leben bei Dir*drück*
 
Ich kann mich Bat nur anschließen... Deine Tiere haben es wirklich, wirklich richtig gut bei Dir... und jedes ist für Dich ganz besonders, das merkt man...
Gute Reise, Blathnaid!
*Abschied*
LG, sevenofnine
 
oh wibke, es tut mir so leid, so viele mäuschen in so kurzer zeit lass dich mal *drück*

gute reise blathnaid *Abschied*
 
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