Hallo,
ich fotographiere beim abendlichen Füttern, und da fast alle Mäuse hier futterzahm sind, werden sie wach und kommen zum Betteln, sobald ich abends vor den Gehegen stehe und sie anspreche. =) Bei der Mäusefotographie kommt es vor allem auf Geduld an, man muß manchmal ewig warten, bis die Mäuse an einem guten Punkt verharren.
Aber es gibt ein paar Aspekte, die man einem fertigen, veröffentlichten Foto nicht ansieht:
1) Ich fotographiere seit vielen Jahren meine Mäuse und habe dementsprechend vermutlich Übung im Belauern, Abwarten, Momentnutzen. Im Laufe der Zeit wurden die Fotos durchschnittlich besser, früher waren fast alle Mäusefotos von mir unscharf.
2) Ich habe eine sehr gute Kamera, eine Canon Powershot D3. Ich fotographiere mit Makrofunktion.
3) Und ich habe kooperative Fotomodels

, denn da ich meine Tiere so oft fotographiere, sind sie das seltsame Ding in meiner Hand gewöhnt.
4) Wenn man ein paar mehr Models zur Verfügung hat, gibt es immer einige, die sich eher fotographieren lassen als andere --- die Scheueren lassen sich bei mir auch nicht fotographieren, aber es gibt eigentlich immer ein paar Zutrauliche, die sitzenbleiben, wenn man knipst.
5) Ich habe jede Menge Ausschuß. Wenn ich hintereinanderweg 50 Fotos knipse (Digitalfotographie sei Dank, ein mißlungenes Foto kostet nichts und kann gelöscht werden), sind vielleicht 10 Fotos gut, 5 gefallen mir wirklich, und ein einziges ist so gut, daß ich es über Jahre hinweg aufbewahren und/oder einen Abzug davon machen lassen würde.
6) Die meisten wirklich guten Fotos sind pure Schnappschüsse --- zum richtigen Zeitpunkt abgedrückt. Und je häufiger man fotographiert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, einen guten Schnappschuß zu bekommen, bei dem die Maus sich zB gerade komisch reckt.
7) Es gibt "Tricks", um sich die Mäuse an günstiger Position (gute Entfernung zur Kamera usw.) ins Bild zu holen, zB indem man genau dort lecker Gemüse hinstellt. Ob die Mäuse aber mitmachen, muß man abwarten.

Aber die größte Chance auf Fotos hat man, wenn die Maus etwas frißt, denn dann bleibt sie auf jeden Fall sitzen.
Viele Fotos werden nach dem Sichten gelöscht, und nach jedem Shooting habe ich viele, viele Fotos, auf denen nur Schwanzspitzen, Mäusehinterteile oder überhaupt keine Maus drauf ist. Und je nach Tier ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten, zB würde ich meinen Hamster gern häufiger fotographieren können -- aber sobald er mich sieht, klebt er mir an der Hand bzw. an der Kamera. Er bleibt höchst selten sitzen und beschäftigt sich mit etwas anderem als mit dem, was ich in der Hand habe.
Das typische Shooting sieht so aus:
Ich möchte gern Mäuse an Blüten fotographieren. Ich lege zunächst also die eßbaren Blüten ins Gehege und richte die Kamera darauf und stelle für diesen Bereich scharf --- und warte ab. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder eine Maus kommt tatsächlich ins Bild und kann fotographiert werden, wobei es eher Glück ist, ob man sie im richtigen Moment erwischt, denn meistens verzieht sie sich mit Blüte in ein Versteck und frißt dort. Oder die Mäuse haben anderes zu tun und kommen erst gar nicht ins Bild, und nach 5 Minuten fällt mir die Hand ab, so daß ich aufgebe.

Aber da ich die Mäuse so gern fotographiere, habe ich dabei immer meinen Spaß und versuche es wieder. Ich habe aber so etwas wie einen Ethos:
- Mäuse sollen nicht belästigt werden, wenn jemand sich verzieht, toleriere ich das. Verstecke werden nicht angehoben oder ähnliches, wer weg ist, ist weg.
- Schwerkranke Tiere, die leiden, werden nicht fotographiert. Deswegen wird man von mir kein Foto bekommen können, das zB eine Maus mit Schmerzen zeigt. Denn statt Fotos zu machen, behandele ich das kranke Tier bzw. düse ab zum TA.
- Alle Mäuse bleiben im Gehege, ich würde niemals eine Maus extra für ein Foto herausfangen, ich mag ehrlich gesagt auch keine Fotos, die Tiere vor Samthintergrund in Studiosituation zeigen oder ähnliches.
- Das Gehege wird fürs Foto nicht verändert, ich stelle also keine Verstecke um oder ähnliches. Entweder die Maus sitzt zufällig günstig, oder ich habe Pech.
Ziel ist eigentlich, kein gestelltes Bild zu bekommen, sondern eine Maus in natürlicher Situation zu fotographieren, also beim Mäusealltag. Mäuse beim gegenseitigen Putzen zu fotographieren, ist zB sehr schwierig, ich habe auch nur wenige Fotos davon, aber da diese Mäuse sich nicht haben unterbrechen lassen, denke ich, daß sie sich nicht durch mich belästigt fühlten.
Viel Glück und Geduld braucht es, um solch ein Foto knipsen zu können, auf dem sich drei Mäuse gleichzeitig putzen. Der unscharfe Zweig im Vordergrund stört das Bild eigentlich, aber ich kann ihn nicht herausnehmen, weil ich erstens das Gehege nicht verändere und zweitens durch die Bewegung todsicher die sich putzenden Mäuse gestört hätte: