Ich habe leider keine Mäuse mehr. Wobei "leider" lediglich an Nostalgie anknüpft, solange ich mich nur an das Gute erinnere. Immer wieder die geliebten Tiere zu verlieren, die mangelnden Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, der rasante Verfall, etc, verunmöglichten mir nach 9 Jahren die Mäusehaltung. Da nie eine Maus alleine sein durfte und ich deshalb immer Nachschub beschaffen musste, fand ich in diesem Forum glücklicherweise ein ganz nettes (damals noch) Mädchen (heute schon junge Erwachsene), das für ihr Alter außergewöhnlich verantwortungs- und hingebungsvoll bezüglich Mäusehaltung war und gab schwersten Herzens meine beide letzten Mäusedamen an sie ab. Das war eine der schwersten Entscheidungen und schmerzlichsten Erfahrungen meines Lebens. Der Jüngste bin ich auch nicht mehr, ich habe also schon einiges erlebt, aber mein Herz hing an diesen Mäusen, wie an kaum jemandem sonst. Dort hatten sie es aber richtig gut und ich durfte sie auch hin und wieder besuchen. Das war stets ein Highlight. Dafür werde ich immer dankbar sein.
Die ersten Mäuse waren beinahe wild, erst seit wenigen Mäusegenerationen überhaupt bekannt. Sie wiesen mich sehr schnell zurecht *Keule* Zuerst mit Fluchtverhalten, danach mit Forderungen, wo sie aufgefädelt am Gittertürchen saßen und die Pfoten schon heraus streckten, gelegentlich durfte ich die Zähnchen spüren. So wurde mir mein Verhalten als Diener antrainiert und das behielt ich bis zum Schluss bei. Im Laufe der Jahre waren insgesamt 29 Mäuse bei mir. Irgendwann erkannte ich eine "Vertraulichkeits-Kette", dh eine Maus ließ sich plötzlich während dem Fressen anfassen, bog sich aber immer wie ein Croissant, sobald mein Finger von der Seite kam. Aber Nachschub war wohl wichtiger als der Ekel vor mir. Eine der Mäuse, welche nachher mit ihr vergesellschaftet wurden, ließ sich dann einfach so anfassen. Nur hochheben wollte sie nicht, sie kam auch nicht von alleine auf die Hand o. dgl. Ihre Schwester, die zeitgleich vergesellschaftet wurde, war sehr lange sehr krank und da werden die Mäuschen manchmal auffällig zutraulich. Das ging so weit, dass sie täglich spazieren gehen durfte. Zuerst nur außen am Gitter, danach auf mir, dann auf dem Sofa, danach überall (in der Handtasche meiner Freundin, auf dem Bücherregal, am Boden, etc). Natürlich unter Aufsicht, ich war nie weiter als einen Meter von ihr entfernt. Wir teilten uns sogar täglich den Prospan-Saft, der ihr mit ihrer Krankheit zu helfen schien. Zumindest war sie verrückt danach. Zunächst schlürfte sie etwas aus dem Becher, der Rest gehörte mir *prost* Eine weitere Maus, die wiederum mit den beiden letztgenannten vergesellschaftet wurde, kam dann dann schon auf die Hand. Die ließ ich aber nicht überall herumlaufen, die war zu wuselig. Was ich also gelernt habe: Die geben ihre Erfahrungen weiter.
Auch die beinahe wilden Mäuse hatten Auslauf. Das große Bett gehörte ihnen. Allerdings musste ich es mit einem Betthimmel sichern, die waren äußerst rabiat. Sie kletterten auch auf mich und gelegentlich, ohne dass ich etwas tat, durfte ich die Zähnchen spüren. Wohl prophylaktisch, denn ein flüchtiger aber strenger Mäuseblick folgte direkt im Anschluss. Nach ein paar Monaten war ihnen das aber zu langweilig und sie blieben immer wieder einfach vor der Treppe zwischen Stall und Bett sitzen, oder gingen sogar schlafen. Verwöhnte Mäusebande. Was ich gelernt habe: Sie dürfen mich anfassen, ich sie aber nicht
Ebenfalls niemals vergessen werde ich diverse Szenen, die sich in Herz und Hirn brannten. Eine der wilden Mäuse, die schon sehr schwach war, ging irgendwann in ihr Häuschen, drehte sich wieder um, streckte den Kopf aus dem Eingangsbereich und starrte uns eine Weile an. Friedlich, nicht neugierig. War klar, was das zu bedeuten hatte. Danach ging sie ganz hinein, ihre Schwester gesellte sich zu ihr und ein paar Stunden später wachte sie nicht mehr auf. Diese Mäuse sind schlauer und uns ähnlicher, als viele Menschen glauben. Der Mensch mit seiner durchschnittlichen Empathie, Beobachtungs- und Auffassungsgabe tut das als Spinnerei ab. Ich weiß es nach 9 Jahren besser. Vor allem studierte meine Freundin auf einer veterinärmedizinischen Universität (aber nicht VetMed, sie ist Grundlagenwissenschaftlerin) und was die dort über das Verhalten und die Bedürfnisse von Mäusen "wussten" und "gelernt" haben, da stellt es mir die Nackenhaare auf. Bereits nach ein paar Monaten Mäusehaltung wusste sie mehr, als sie dort gelernt hatte, vieles musste sie verwerfen. Heute befindet sich auf ihren Präsentationen und Lehrunterlagen ein Bild von unserem ersten Mäuserich mit dem Schriftzug "Benutzt euer Hirn und nicht mich". Sie forscht ausschließlich mit menschlichem und künstlichem Material und hat durch die Erfahrung mit den Mäusen ihren Forschungsschwerpunkt auf Alternativen zu Tierversuchen gelegt, dafür auch schon Preise ergattert etc. Leider sind wirtschaftliche Interessen an Labortiere geknüpft und das Ego der Verantwortlichen spielt ebenfalls eine tragende Rolle. Sie kämpft also gegen Windmühlen. Aber sie kämpft immerhin. Den Mäusen, Ratten und all denen zuliebe, die sich nicht wehren können. Solchen Einfluss können diese kleinen Racker also auf das Leben mancher Menschen nehmen. Mäuse sind einfach toll. Und vielseitig sowieso;
Ich hatte auch Mäuse, die andere mit Futter versorgten, wenn diese schon schwach waren. Bis dahin raubten sie sich das Futter gegenseitig aus dem Mäulchen. Es gab Mäuse, die organisiert um Futter bettelten: Kürbiskern aus der Hand zu Maus 1, diese läuft dann los und verbuddelt es, so geht es mit den Mäusen 2 bis 6 weiter und dann alles wieder von vorne. Gelegentlich wurden sogar Ketten gebildet: Maus 1 lässt den Kern fallen, Maus 2 nimmt ihn auf und verbuddelt ihn, während Maus 1 wieder am Start für den nächsten Kern ist. Ich traute meinen Augen nicht. Kleine Mafia.
Andere wiederum waren vergleichsweise chaotisch, so wie Mäuse eben meistens wirken. Teilweise gab es Mäuse, die waren schon fast "langweilig", bis hin zu besonders braven Mäusen, die auf Zuruf kamen, die Geste "Nein!" befolgten, usw. Jede Maus ist eine eigene Persönlichkeit. Die kastrierten Bubis waren aber meistens gechillt, die Mädchen oftmals etwas divenhafter. Jedenfalls alle auf ihre Art einzigartig und ich denke jeden Tag an sie, sowie an all die Fehler, die ich im Lauf der Jahre begangen habe.
So, ich glaube, das genügt. Übrigens, ich würde ich mich über einen Kalender freuen *pieks* Das war hier immer eine schöne Tradition. Aber alles der Reihe nach, ich weiß. Jedenfalls bin ich allen Beteiligten dankbar, die den Fortbestand des Forums forcieren.