Laktose

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Ich habe wie erwähnt unter anderem bei der Uni Giessen nachgefragt, wie das mit Laktose so ist. Hier im Forum war offensichtlich niemand mit entsprechendem Hintergrund.

Kurzfassung, wie ich es interpretiere: Im Zweifelsfall sollte man Milchprodukte und Produkte mit zugesetzter Laktose bei allen Säugetieren eher meiden. Falls es aus irgendwelchen Gründen notwendig ist, laktosehaltige Nahrung oder Mittel zu geben, sollte man versuchen, mit sehr geringen Mengen anzufangen und langsam zu steigern. Dass die Produktion von Laktase (das Enzym, das Milchzucker aufspaltet) durch Weitergeben von Laktose direkt nach der Stillzeit beibehalten werden kann, ist ein falsches Gerücht.

Da ich in meiner Frage erwähnt hatte, dass ich in Foren bereits diskutiert habe, gehe ich davon aus, dass Prof. Weigand mit einer Veröffentlichung an dieser Stelle einverstanden ist, zumal ich finde, dass die Antwort sich durchaus sehen lassen kann. Hier die Antwort, aus der ich vorsichtshalber (zur Vermeidung von Spam) Emailadresse und Telefonnummer entfernt habe:

Sehr geehrter Herr Ganske,
seit dem Eingang Ihrer Email sind bereits wieder einige Tage
verstrichen. Ihre Anfrage soll nicht unbeantwortet bleiben, aber ich
fürchte, dass Sie bei Ihrem verständlichen Wissensdrang am Ende
wieder unbefriedigt sind, wenn meine nachfolgenden Anmerkungen
gelesen haben. Bedenken Sie, dass im Darmtrakt mehr
Bakterienzellen angesiedelt sind als der Wirtorganismus
körpereigene Zelle aufweist und sich im Verdauunsapparat das
zweitgrößte Nervensystem befindet.

Es ist ganz "natürlich", dass die Fähigkeit, Lactose im Dünndarm
mittels körpereigener Lactase zu spalten und die beiden
Zuckerbausteine in Richtung Blutbahn aufzunehmen, mit dem
Ende der Säugeperiode verloren geht. Die Bildung dieses
Verdauungsenzyms wird auch dann eingestellt, wenn die
Aufnahme von Lactose über das Säuglingsalter hinaus mit der
(muttermilchfremden) Nahrung fortgesetzt wird, eben durch das
Angebot von Milch oder lactosehaltigen Milchprodukten (meist von
Kuh, Ziege oder Schaf). Die Fähigkeit einer Minderheit von
Menschen" bestimmter ethnischer Zugehörigkeiten (insbes.
Kaukasier), im Dünndarm eine relativ hohe Lactaseaktivität auch
noch im erwachsenen Alter zu besitzen - zu erklären durch eine
Änderung in den Erbanlagen -, haben Sie ja bereits in Ihrer Mail
angesprochen. Grundsätzlich besteht keine
ernährungsphysiologische Notwendigkeit, Heim- oder Nutztieren
Milchprodukte zu geben. Anreize dazu dies dennoch zu tun, sind
unterschiedlich begründet, z. B. durch die hohe biologische
Qualität des Milchproteins.
"Lactoseintoleranz" oder "Milchzuckerunverträglichkeit" ist aber
nicht gleichbedeutend, dass keine lactosehaltigen Erzeugnisse
vertragen werden. Dies ist z. B. bei Menschen oder Hauskatzen
bekannt. In der verträglichen Dosis gibt es aber beachtliche
individuelle Unterschiede. Auch Darmbakterien sind in der Lage,
Milchzucker zu spalten und zu verstoffwechseln.
Lactoseverwertende Darmbakterien werden durch die Gabe von
Milchzucker in ihrer Zahl gefördert (Anpassung an das
Nahrungsangebot). Wird die verträgliche Dosis überschritten,
äußert sich dies in Verdauungsstörungen, wässriger Stuhl/Kot und
Blähungen, die mit schmerzhaften Krämpfen im Verdauungstrakt
verbunden sein können. Andere Organe sind davon weniger direkt
als indirekt betroffen; denn Durchfall bedeutet vor allem Verluste an
lebenswichtigen Elektrolyten und Wasser, so dass der Organisnus
je nach Ausmaß relativ rasch "schlapp" machen kann. Bei
anhaltendem Durchfall ist auch mit weiteren Problemen zu
rechnen, z.B. auch bei der Fellpflege. Normal ist, dass sich bei der
Gabe von vertäglichen Mengen vor allem der Dickdarminhalt
vergrößert und wasserhaltiger wird, so dass dann auch das
Kotvolumen größer und die Kotkonsistenz weicher wird, aber noch
geformt bleibt. Lactose wirkt also einer Obstipation entgegen.
Durch die Vergärung von Milchzucker zu Milchsäure (links- und
rechtsdrehende Milchsäure können entstehen) wird der Darminhalt
(und Kot) auch saurer, evtl. zu sauer, so dass es zur Reizung des
Darmes kommt und die Darmmotorik "aufdreht", Folge "Durchfall".
Soweit Lactose nicht vergoren wird, bindet sie wie andere Zucker
Wasser, so dass auch eine sog. osmotische Diarrhöe nicht
auszuschließen ist.

Kurzum, wenn Sie Ihren Tieren Milchprodukte (lactosehaltige) geben wollen,
sollten Sie mit kleineren Mengen/Anteilen beginnen und die Verhalten/Reaktion
der Tiere und deren Kotkonsistenz beobachten. Nach einigen Tagen kann sich
eine "Gewöhnung" der Darmflora und Darmmotorik einstellen, so dass dann
auch "größere" Gaben vertragen werden.

Milchprodukte können sich im Lactosegehalt erheblich unterscheiden;
so ist im Käse durch die Abtrennung der Molkefraktion nur mehr wenig Lactose
enthalten. Dafür sind Molke(produkte) umso lactosereicher.
Lebensmitteltabellen geben darüber Auskunft.
Das Gleiche gilt auch für Backwaren (welche Milchprodukte und
welche Mengen wurden zugesetzt?). In Yoghurt ist die
Lactoseverträglichkeit allgemein wesentlich höher als in Milch,
nicht nur weil ein Tiel der Lactose von den Bakterien zu Milchsäure
vergoren wurde, sondern auch weil diese Bakterien (soweit der
Yoghurt nicht erhitzt wurde, also z.B. in "Bioghurt") im Magen-
Darmtrakt zur Spaltung der Milchsäure beitragen können.
Eigentlich wollte ich mich kürzer fassen.
Viel Freude mit Ihren Mäusen. Diese können Sie - wie gesagt -
auch ohne Milchprodukte ernähren. Was z. B. an Milch(zucker) im
Brot enthalten ist, werden sie vertragen.

MfG
E. Weigand



On 23 Aug 2007, at 10:18, Timm Ganske wrote:

Sehr geehrter Prof. Dr. Weigand,

innerhalb der Universität Giessen wurde ich über Umwege an Sie
verwiesen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir bei diesem
Problem weiterhelfen könnten. Folgend meine Mail an die
Kleintierklinik.

Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüßen,
Timm Ganske

Hallo,

vielleicht habt ihr eine Idee, wo ich suchen oder wer mir helfen
kann, oder möglicherweise könnt ihr es auch :). Hintergrund:

Ich halte Mäuse als Haustiere. Nun habe ich schon in mehreren Foren
diskutiert, ob Pferd, Schwein, Hund, Katze, Maus, Igel, Ratte, Maus
und was sonst so als Haustier/Nutztier gehalten wird adult keine
Laktase mehr produzieren und somit laktoseintolerant sind. Bisherige
Erkenntnisse:

- Alle adulten Säugetiere sind laktoseintolerant außer manchen
Menschen (vor allem Europäer)
- Angeblich sind einige Katzen nicht laktoseintolerant

Aber: Alle Auskünfte, die ich bisher gefunden habe, stützen sich auf
Annahmen und Vermutungen. Ich habe noch nichts gelesen, bei dem ich
den Eindruck hatte, dass der Autor dieses Problem tatsächlich
analysiert hat!

Mich würde interessieren, in welchen Mengen man unseren Tieren Sahne,
Milch, Käse, Tiernahrung mit Bäckereinebenerzeugnissen (bestimmt
Laktose drin!) oder Molkenerzeugnissen und sonstige laktosehaltige
Produkte geben kann, ohne dass es schadet (Joghurt wird gerne zur
Verdauungsförderung nach AB empfohlen), und woran man eventuelle
Probleme erkennen könnte (Auswirkungen von Alkohol, giftigen Gasen
etc. wie bei Menschen Durchfall, Blähungen, Verstopfung,
Hautprobleme, Kurzatmigkeit, Depressionen und vieles mehr,
langfristig auch Leberschaden). Mich interessieren nicht nur die
Fakten, sondern auch die Begründungen/Hintergründe.

Gibt es bei euch vielleicht jemanden, der hilfreiche Hinweise geben
kann, ob das schon genauer analysiert wurde? Falls nein, habt ihr
eine Idee, ob man möglicherweise jemanden zu so einer Untersuchung
anregen könnte oder wer mir weiterhelfen kann? Natürlich würde mich
zunächst auch eure Meinung interessieren, ohne dass jemand darüber
eine Diplomarbeit schreibt :).

Gruß,
Timm Ganske




Prof. Dr. Edgar Weigand
Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie
Justus-Liebig-Universität
Heinrich-Buff-Ring 26-32
35392 Gießen
homepage: Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie der JLU Gießen
 
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