Magengeschwür bei Mäusen - Behandlung mit Ranitidin

Fufu

mausgrau
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Meine Lieblingsmaus hatte monatelang merkwürdige Schmerzanfälle, jedenfalls habe ich das so interpretiert. Immer wieder saß sie unbeweglich da, neben der Wirbelsäule wirkten die Flanken eingefallen und sie zeigte eine Flankenatmung. Meist dauerte der Anfall nur ca. 10 Minuten und anschließend bewegte sich die Maus wieder vollkommen normal. Wiederholte Untersuchungen, einmal ließ ich sogar eine Röntgenaufnahme in Narkose machen, und alle Therapieversuche brachten keine Änderung. Dazwischen gab es wochenlange Phasen ohne diese Symptomatik. Sie starb dann unter dem Bild eines Kreislaufversagens. Nach ihrem Tod habe ich sie obduziert. Als Todesursache vermutete ich eine Magenblutung, da der ganze Magen und teilweise auch der Darm mit Blut gefüllt waren. Der Magen wurde zur histopathologischen Untersuchung eingeschickt. Der Befund erbrachte ein Magengeschwür als Todesursache.

Histopathologischer Befund:
"Der Hauptbefund liegt im Bereich des Pylorus (Magenpförtner). Dort handelt es sich um ein chronisches tief-greifendes Ulkus (Magengeschwür). Die Entzündung reicht bis an die Serosa (Bauchfell) und in das angrenzende Pankreas (Bauchspeicheldrüse) bzw. in das Duodenum (Zwölffingerdarm). Die hochgradige extramedulläre Hämatopoese (Blutbildung außerhalb des Knochenmarks) in der Milz und die relative unspezifische Hepatitis der Leber dürften Folge dieses Ulkus sein. Anhaltspunkte für eine Neoplasie (Bösartigkeit) fehlen."

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Maus mit histologisch gesichertem Magengeschwür im Schmerzanfall - eingefallene Flanken neben der Wirbelsäule


Mindestens bei zwei, vermutlich bei drei, weiteren Mäusen hatte ich im Laufe von ca. 3 Jahren bei der Obduktion Blut im Magen gefunden. Mehrmals drängte sich mir auch der Eindruck auf, daß es Mäusen (nicht allen, aber immer wieder mal), die wegen eines Atemwegsinfektes mit Baytril behandelt wurden, unter der Behandlung plötzlich irgendwie "schlechter" ging.

Im aktuellen Fall wurde eine junge weibliche Maus ebenfalls wegen eines Atemwegsinfektes und anhaltenden, schnatternden Atemgeräuschen mit Baytril behandelt. Die Maus hatte eine Flankenatmung und teilweise eine beschleunigte Atmung, weswegen ich ihr sogar zwei Mal Cortison gegeben hatte. Auffallend war ein deutlich reduzierter Appetit. Sogar Leckerli wurden nur zögerlich oder gar nicht angenommen. Auch diese Maus zeigte merkwürdig eingefallene Flanken neben der Wirbelsäule. Außerdem ist mir aufgefallen, daß die Maus sich immer wieder mit den Pfoten so über die Schnauze strich, als würde sie da etwas stören und als wolle sie es wegwischen. Manchmal öffnete die Maus dabei das Mäulchen wie bei einem Würgreiz. Die ständig angelegten Öhrchen habe ich als mögliches Zeichen von Schmerzen gedeutet. Die Schwester dieser Maus, die ebenfalls mit Baytril behandelt wurde, der es aber scheinbar deutlich besser ging, wurde plötzlich tot neben dem Wassernapf aufgefunden. Die Obduktion ergab eine schwere, nekrotisierende und abszedierende Bronchopneumonie (unter der Behandlung mit Baytril!)

In Anbetracht des Obduktionsbefundes dieser Maus wurde in Absprache mit meiner TÄ die AB bei der anderen Maus auf Doxycyclin umgesetzt, da offenbar die Bakterien auf Baytril nicht mehr ansprachen. Zusätzlich - und das ist jetzt der entscheidende Punkt - hatten wir besprochen, ob nicht auch bei dieser Maus möglicherweise ein Magengeschwür vorliegen könnte. Die TÄ hat mir dann Ranitidin als Injektionslösung mitgegeben, das ist ein Medikament, das die Säureproduktion im Magen hemmt.

Bereits einige Stunden nach der ersten Gabe des Ranitidin zeigte die Maus plötzlich mehr Appetit. Ich hatte ihr ein Haferschleimbreichen mit etwas Malzextrakt zum Süßen gekocht, an dem sie bisher immer nur etwas geleckt hatte. Plötzlich schien die Maus richtig Hunger zu haben und fraß 1 ml des Breis aus der Spritze. In den folgenden Tagen nahm sie den Brei fast gierig auf. Die eingefallenen Flanken sind weg, die Maus läuft wieder herum, frißt und verhält sich fast vollkommen normal. Unter dem Doxy sind die Atemgeräusche zwar noch nicht weg, aber seltener und leiser geworden.

Ohne es beweisen zu können, halte ich es für möglich, daß manche Mäuse auf Baytril mit Magenproblemen reagieren könnten. *grübel* Es kann natürlich auch einen andern Grund für die Entstehung eines Magengeschwürs geben, z.B. Streß bei einer VG. Ehrlich gesagt, hatte ich es nicht für möglich gehalten, daß Mäuse überhaupt Magengeschwüre bekommen, aber der Obduktionsbefund hat mich eines Besseren belehrt. Ich denke auch, daß ich vielleicht manchmal eine verstärkte Atmung durch Schmerzen als Atemnot fehlgedeutet haben könnte. Die Maus, die jetzt mit Doxy behandelt wird, hat aber vermutlich sowohl einen Atemwegsinfekt, als auch ein Problem mit dem Magen.

Das Medikament heißt Ranitic injekt 10mg/ml in einer 5 ml Ampulle (Injektionslösung) und gehört zu der Gruppe der H2-Blocker. Der Wirkstoff ist Ranitidin. Die Dosierung ist 2-5 mg/kg KG, 2 x täglich. Das sind 0,002-0,005 mg pro Gramm Maus. Ich habe ihr 0,003 mg pro Gramm Maus gegeben. Die Injektionslösung schmeckt leicht bitter, weswegen man sie vielleicht besser mit etwas Süßem mischen sollte.

Die Gabe von Protonenpumpenhemmern, z.B Omeprazol, scheint dagegen für Mäuse nicht geeignet, da der Wirkstoff durch die Magensäure zerstört wird und die Tabletten einen magensaftresistenten Überzug aufweisen, der nicht zermörsert werden darf. Selbst die flüssigen Anwendungen enthalten kleine Granula, die nicht zerbissen oder zermörsert werden dürfen, als Trinklösung aber für Mäuse wohl noch zu große Bestandteile enthalten.

Das Magengeschwür bei Mäusen ist z.B. bei Ewringmann/Glöckner gar nicht aufgeführt, was aber auch einfach daran liegen könnte, daß es bislang kaum diagnostiziert wurde und vor dem Tod wohl auch nur schwer diagnostiziert werden kann.

Es ist aber vielleicht sinnvoll, wenn unter Baytril Appetitlosigkeit auftritt, an die Möglichkeit eines Magengeschwürs zu denken und auch beim Auftreten von Flankenatmung das mögliche Vorliegen einer Schmerzsymptomatik im Blick zu behalten.

Symptome, die möglicherweise auf ein Magengeschwür hindeuten können:

- Flankenatmung und angelegte Ohren als Ausdruck von Schmerzen
- eingefallene Flanken neben der Wirbelsäule vor den Hinterbeinen
- Appetitlosigkeit, verminderte Futteraufnahme, Abmagerung
- Abstreifen des Mäulchens mit den Pfoten, als wollte etwas Störendes entfernt werden

In der Hoffnung, daß damit eventuell auch anderen Mäuschen geholfen werden kann ...
Fufu

Link zum Beipackzettel Ranitic injekt:
https://www.google.de/#q=ranitic+injekt+beipackzettel
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Zu Hülf, jetzt muss man auch noch mit sowas rechnen ......

Gaanz lieben Dank für die Präzisen Infos
und überhaupt mal wieder ein *drück*
 
ja, ich war auch fassungslos. *seufz* Diese histopathologischen Befunde sind deprimierend. Aber ich hoffe einfach inständig, daß das irgendwann den lebenden Mäusen zugute kommt. *traurig*

Nebenbei Dir auch so was von *drück*!
 
hey

pfuh.
ich hab mal bei vetpharm geschaut, da stand nix dazu.
Interessanterweise aber auf wikipedia zum Enrofloxacin ( =Baytril):
https://de.wikipedia.org/wiki/Enrofloxacin
Als weitere Nebenwirkungen können gastro-intestinale Störungen und (bei hoher Dosierung) lokale Reaktionen an der Injektionsstelle auftreten.
und google hilft bei gastrointestinalen Störungen. Störungen des Magen-Darm-Traktes.

Bisher hatte ich darunter eben nur die Gefahr von Durchfall/Verstopfung gesehen...
aber darunter fallen ja auch eigentlich Magenreizungen... und wenns da hart auf hart kommt und evtl eine gewisse Vorbelastung/Anfälligkeit da ist...

Abstreifen des Mäulchens mit den Pfoten, als wollte etwas Störendes entfernt werden
das hätte ich eher in den Bereich der erschwerten Atmung/Atemnot gepackt.
Da kann ich keinen Zusammenhang mit dem Magengeschwür erkennen.

Vielleicht kommt da erschwerend der allgemeine kränkelnde Zustand, das schwache und schon überlastete Immunsystem und auch ggf der Stress durch die Medikamentengabe dazu.

Aber ansonsten stimme ich dir zu:
Aufpassen... und nicht immer ist Baytril (oder alle anderen ABs ) das Mittel der Wahl. Und v.a. schon kein Allheilmittel. Dazu wird es nur leider manchmal gemacht, weil die Behandlungs- und Diagnosemöglichkeiten so eingeschränkt sind.
 
Hallo!

Man sagt ja, man sollte zusätzlich zur AB-Gabe oder danach den Mäusen Bene Bac geben. Aber wenn ich das richtig verstehe, ist BB nur für den Darm gut, nicht für den Magen? *grübel*

Danke, Fufu, dass du dein Wissen mit uns teilst. *drück*
 
@ moonrain: ja, das benebac soll helfen, die angeschlagene Bakterienflora im Darm zu unterstützen, bei Magenbeschwerden im Sinne einer Magenschleimhautentzündung oder eines Magengeschwürs hilft das gar nicht.

@ Lumi: Das "Abstreifen" am Mäulchen ist mir jetzt schon mehrfach aufgefallen. Aber ebenso wie die Flankenatmung ist das vielleicht kein spezifisches Symptom. *grübel* Es ist jedenfalls jetzt nicht mehr zu beobachten. Wegen der Baytril-Nebenwirkungen, das hatte ich noch gar nicht gefunden, danke. Bei "gastro-intestinalen Störungen" steht das "gastro" für Magen und das "intestinal" für Darm. (Magen griech. (?) gaster, Darm lat. intestinum).
 
Last edited:
Hallo Fufu,
Danke für diesen ausführlichen Bericht (vor 8 Jahren)!
Hatten die betroffenen Mäuse bei dir einfach allgemein wenig Appetit oder war das selektiv?
Ich frage, weil ich es jetzt schon zum zweiten Mal erlebe, dass eine Maus ihren Appetit auf fast alles verliert und sich praktisch nur noch von Cornflakes ernährt. Auch die verführerischsten Leckerlis werden abgelehnt, bis auf Cornflakes (so gepuffte Mais-, Kichererbsen - und Linsenwaffeln, die gehen auch noch.)
Vor einem guten halben Jahr hatte sie mal einen leichten Atemwegsinfekt der erfolgreich mit Baytril behandelt wurde.
Und das mit den eingefallenen Flanken könnte nämlich auch hinkommen.
Die erwähnte Ranitidin Injektionslösung hast du oral gegeben, wenn ich es richtig verstanden habe? Ich würde das dann nämlich mal mit der Tierärztin besprechen.
 
Hallo Jennia,
Mäusekrankheiten zu diagnostizieren ist schwierig. Man kann fast alle Untersuchungen, die bei Mensch oder anderen Tieren durchgeführt werden, nicht anwenden. Man kann kein Blut abnehmen (im Normalfall), keine Magenspiegelung machen, etc. Eine Zeit lang habe ich alle verstorbenen Mäuse obduziert. Dabei hatte ich den Eindruck, dass das Spektrum der Erkrankungen, unter denen Mäuse leiden und an denen sie auch versterben können, viel größer ist, als allgemein angenommen wird, wie das Beispiel mit der Maus, die an einem blutenden Magengeschwür verstorben ist. Leider habe ich auf diese Weise die Todesursache meist erst nach dem Tod der Maus herausgefunden.
Das Symptom "Appetitlosigkeit ist leider unspezifisch, es kann auf viele mögliche Erkrankungen hinweisen. Auf jeden Fall sollte man sich, soweit einsehbar, die Zähne und das Mäulchen ansehen. Meine TÄ hat dafür ein Otoskop benutzt (für die Untersuchung von kleinen Ohren).
Die eingefallenen Flanken meiner Maus sind damals nur während des Schmerzanfalls aufgetreten, sind also in diesem Fall als Zeichen der Schmerzen zu deuten. Ansonsten sind eingefallene Flanken ein Zeichen von Abmagerung. Bei starker Abmagerung ist dann die Wirbelsäule unter der Haut besonders gut zu spüren, wenn man sie abtastet.
Wegen der Problematik der Diagnose muss man bei Mäusen häufig auf die Strategie des "Therapieversuches" zurückgreifen. Man vermutet eine Krankheit und leitet eine Therapie ein. Wenn es anschließend besser wird, dann ist das ein Indiz, dass die vermutete Diagnose eventuell (!) richtig war.
Ich würde die Zähne ansehen lassen und wenn man da nichts findet, kann man es mit Ranitidin (Injektionslösung oral) versuchen.

Meine alten und kranken Mäuse bekommen alle meinen Mäusebrei. (Rezept müsste hier auch noch irgendwo sein).
Hafermehl mit Wasser kalt aufsetzen, unter Rühren hochkochen. Ich mische Haselnussmus von Rapunzel darunter und etwas Butter. Die Portion kommt dann in den Kühlschrank. Davon bekommen die Mäuse jeden Abend eine Portion. Vorher rühre ich noch etwas Nutrical hinein (eigentlich eine selbst entwickelte Paste aus Nutrical, Weihrauch und Vitalpilzen, aber das ist ein anderes Rezept) und - damit es etwas sämiger wird - ein wenig Kokosmilch. Viele alte und kranke Mäuse sitzen abends schon vor dem Schälchen und warten auf Breinachschub. Ist ohne Anstrengung zu fressen, kalorierenreich, alle Vitamine etc. drin und scheint gut zu schmecken.

Ansonsten: Auch chronische Atemwegsinfekte können zu Abmagerung führen (ich verwende fast nur noch Doxy, dass alle 4-5 Tage gespritzt wird), aber auch (fast) alle anderen chronischen Erkrankungen. Wichtig ist noch Kotbällchen ansehen (sehr weich? sehr hell? Durchfall?) und die Scheidenöffnung (kommt da Sekret raus? ev. Gebärmuttervereiterung, in dem Fall Doxy, oft als Dauertherapie). Auch Schmerzen können zu Abmagerung führen. Auch da hilft ein Therapieversuch. Man gibt der Maus einige Tage ein Schmerzmittel und schaut ob es besser wird. Die Schmerzmittel haben aber leider (fast) alle als Nebenwirkungen Magengeschwüre und Magenschleimhautentzündung.

Die Cornflakes, gepuffte Lebensmittel sind eher leicht zu fressen, also nicht hart und man kann sie gut mit den Pfoten halten. Verweigert die Maus auch andere, eher weiche Leckerlis? Auch wichtig: Wie alt ist die Maus?

Noch ein Tipp für Alte und Kranke: gemahlene Haselnüsse und geschälte Hanfsamen. Sehr kalorierenreich und sehr weich und sehr leicht zu fressen. Würde ich auch mal probieren.

Liebe Grüße
Fufu
 
Liebe Fufu,
ganz herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort !!! Ich weiß das sehr zu schätzen.

Die Maus ist ein Jahr + acht Monate alt.
Innerhalb der letzten ca. zwei Monate hat sie kontinuierlich ein paar Gramm abgenommen und wurde vom Muskeltonus her weicher. Ich habe das - vielleicht fälschlicherweise- aufs Alter geschoben, zumal sie keine weiteren Symptome hatte und ansonsten putzmunter wirkte.
Vor ca. einer Woche fing sie an, wählerischer zu werden und vor drei Tagen hat sie dann - selektiv - ihren Appetit verloren. Das Mäuse-Spezialitäten-Buffet hier habe ich darauf hin aufgestockt. Es beinhaltet auch weichere Lebensmittel, „Müsli“ (in Hafermilch aufgeweichte Haferflocken, manchmal mit etwas Carobpulver). Aber sie bleibt im wesentlichen bei ihren Cornflakes. Auch Cashewnussmus (normalerweise geradezu ein Auslöser von Ekstase) möchte sie partout nicht mehr vom Finger schlecken. Daher würde ich die Zähne als Problemursache eher ausschließen.
Der Kot sieht recht normal aus. Den Vagina Bereich werde ich mir heute Abend mal genauer ansehen.
Ansonsten bilde ich mir ein, dass sie auch seit kurzem vermehrt trinkt, was wiederum vielleicht auf eine Entzündung schließen ließe…?
 
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