Medea

vindoatus

Mäusologie-Meister*in
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Gestern habe ich den Kampf verloren.
Es tut mir so leid, Medea... Du warst viel zu kurz bei mir, und ich hätte dir so gerne noch viele Monate geschenkt.

Ostern 2005 habe ich Medea und ihre Freundin Thalia zusammen mit Inge bei der Vorbesitzerin abgeholt. Die beiden Mäusemädchen mußten dort, nachdem sie bereits herumgereicht worden waren, in der Küche neben dem Herd in einer 40 x 30 cm kleinen Kühlschrankbox aus Plastik leben, die mit einem selbstgebastelten Deckel aus Draht abgedeckt war. Eingerichtet war die Box nur mit etwas Kleintierstreu und einem kleinen Plastikding, das mich entfernt an ein zu kleines Vogelbadehaus für Sittiche erinnerte. Das war das einzige Versteck für die beiden. Es gab keinen Wassernapf, keine Trinkflasche, kein Nestmaterial und keine Überreste von Futter. Wir setzten die beiden Mäuse in meine TB um, die genauso groß ist wie die Kühlschrankbox, in der sie leben mußten. Der Typ, der uns die Mäuse überließ, drückte Inge eine Packung billigstes Meerschweinchen-Futter in die Hand und meinte, das hätten sie bisher bekommen. Inge nahm die Packung geistesgegenwärtig entgegen, während ich nur geschockt daneben stand... Dann standen wir schon wieder draußen vor der Tür, sahen uns an und dachten dasselbe. Ich sehe es alles noch genau vor mir, Inge... wie Barum vor dem Haus gewartet hat und wie wir zu mir gefahren sind, und wie wir dort, kaum daß wir den Deckel der TB geöffnet haben, das furchtbare Schnattern und Niesen hören mußten, wir hatten zuvor schon gesehen, daß beide Mäuse wohl nicht ganz gesund seien, aber besonders Medea schnatterte erbärmlich. Und Inge sagte zu mir, wenn wir sie nicht da raus geholt hätten, wären sie sicherlich in Kürze gestorben.

Thalia, eines der beiden Mäusemädchen, lebte nur noch 31 Tage, weil sie sich nicht mehr eholen konnte. Aber Medea erholte sich. Binnen ein, zwei Wochen wurde sie vom schwerkranken Notfallmäuschen, das lebenslang mangelernährt und unterversorgt worden war, zu einer selbstbewußten Mäusedame, die selbsverständlich Chefin wurde. Sie war die Innenarchitektin und der private Friseur. Ich werde dir nie vergessen, Medea, wie hingebungsvoll du Minimus in ihren letzten Tagen noch geputzt hast und welches Gesicht die Mäuse gemacht haben, wenn sie dir ihr Köpfchen entgegengestreckt haben.

Und es gab nichts Schöneres als zu sehen, wie diese Maus aufblühte, kennenlernte, was sie nie hatte erfahren dürfen, und neue Freunde fand. Menschen waren ihr immer suspekt, und ich weiß, wieviel Vertrauen sie mir entgegenbrachte, in dem sie mit der Zeit lernte, mir Futter aus der Hand zu nehmen. Aber sobald sie in direkten Kontakt mit der menschlichen Hand kam, brach eine uralte Panik in ihr hoch. Aber ich habe immer versucht, sie so weit es geht in Ruhe zu lassen.

Als Mollys drei Söhne zu mir kamen, freundete sich Medea mit Sindbad und besonders mit Flokati eng an. Flokati und sie schliefen fast immer im selben Körbchen, und sie teilten sich einen Grashalm beim Futtern.

Und genauso möchte ich sie in Erinnerung behalten. Ich möchte das schöne Bild behalten, wie Medea zusammen mit den beiden Brüdern in einem Körbchen liegt, den Kopf gemütlich auf den flauschigen Flokati gelegt, die Augen halb geschlossen, und sich gleichzeitig von Sindbad das Köpfchen putzen läßt.

Aber die Mycoplasmose war stärker als das, was ich mir für dich gewünscht habe, mein kleines Mädchen.

Nachdem sie sich erholt hatte, lebte sie bis zum Juni symptomfrei. Der nächste Schub war viel stärker, als der erste es gewesen war. Immer wieder habe ich sie behandelt, und immer schwerer wurde es. Aber sie hatte trotz chronischen Lungenschadens Lebensfreude, sie buddelte leidenschaftlich gerne, legte die großartigsten Tunnel an und war meine Ausbrecher-Königin, die jede Gelegenheit zu nutzen verstand. Und sie war eine sehr sensible Maus, die auf Veränderungen sofort reagierte und Zeit brauchte.

Jeden Abend die Angst, wie es ihr wohl heute gehen würde, das bange Abwarten, bis sie, stets die Letzte in der Neunergruppe, aufgestanden war und zum Futter kam.
Aber ab jetzt wird niemand mehr so spät aufstehen wie sie.

Ich kann Flokati, Sindbad und den anderen aus deiner Gruppe nicht erklären, wohin du gegangen bist, aber ich nehme an, ihr hattet Gelegenheit zum Abschied. In den letzten Wochen habe ich mich fragen müssen, wie sehr du tatsächlich unter den Atembeschwerden zu leiden hattest, aber nun bist du alleine gegangen und rasch, und ich bin sehr froh, daß ich dir niemals die Furcht antun mußte, in einer Menschenhand zu sterben. AB und Cortison haben nicht mehr geholfen.

Du wirst immer in meinem Herzen bleiben, meine kleine Prinzessin. Medea heißt du, weil du dich als selbstbewußte kleine Hexe entpuppst hast, die genau wußte, was sie wollte, die ihr eigenes Leben haben wollte und die dem Menschen notfalls mit Schwanztrommeln drohen konnte.

Ich weiß nicht genau, wie alt sie geworden ist, aber hätte sie nicht ein Dreivierteljahr schwer krank in einer Kühlschrankbox leben müssen, so hätten die Mycoplasmen ihr Lungengewebe nicht dermaßen zerstören können. Und ich hoffe sehr, daß trotz der langen unruhigen und furchtbaren Zeit in ihrem Leben die Momente überwogen haben, in denen es ihr gut ging. Und daß es diese Momente waren, an die sie gedacht hat, als sie gestern abend für immer eingeschlafen ist.

*heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul* *heul*



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Es tut mir so leid..
ihr Geschichte erzählt von so viel Leid und Angst.
Du hast ihr gezweigt wie schön das Leben sein kann.
Machs gut kleine Maus!

Sie ist nun frei
und unsere Tränen
wünschen ihr Glück.

(J.W. von Goethe)



Gute Reise Medea!
 
Das tut mir so leid *drück*
Machs gut, kleine Maus *Abschied*
Du konntest noch erfahren, was ein schönes Mäuseleben ist.
 
Wibke, Du hast ihr gezeigt, was es heißt Maus zu sein. Das wird sie Dir nie vergessen *drück* *drück*
 
Ich schließe mich Bat an. Du hast ihren Leben noch einen Sinn gegeben. *drück* *drück*

Leb wohl tapferes Mäuslein *Abschied*
 
Wiebke sie hatte ein tolles Mäuseleben bei dir ! *drück* *drück*

*heul*Gute Reise kleine Medea...*Abschied*
 
kleine medea
ich durfte ja für 1 woche dein frauchen sein ...und du hast mich mal ziemlich erschrocken als ich dich plötzlich auf dem balkon spazieren sah ....du kleine ausreisserin *Herz*
jetzt bist du ganz ausgerissen ins weite land ;-(
nun wirst du dienen freiden finden und all den anderen mäuschen erzählen das nciht alle menschen schlecht sind
leb wohl meine klene wilde maus
grüße mir die anderen
 
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