Und ohne Vibrissen ist das doch auch blöd, sie heißen doch nicht umsonst Tasthaare. Denkst du, die Mäuse sind dadurch eingeschränkter? Und meinst du wirklich durch mehr Beschäftigung und neue Spielsachen kann man es verhindern, das müsste ich mal ausprobieren...
Ja, wenn die Vibrissen fehlen, ist eine Maus prinzipiell ein bißchen eingeschränkt, weil sie sich ihre Welt ja auch mit diesen hochsensiblen Haaren ertastet. Aber beim Zwangsputzen ist das leider wahrlich eine ganz typische Stelle: die Maus, die zwangsgeputzt wird, unterwirft sich, indem sie vor der Ranghohen das Köpfchen senkt und sich putzen läßt, die Zwangsputzerin putzt Köpfchen, Schnauze und Vibrissen. Weil Mäuse sich vor allem gegenseitig Kopf und Nacken putzen (da sie sich dort nur begrenzt selbst putzen können), treten (wenn es vorkommt) vor allem dort Kahlstellen durch Zwangsputzen auf.
Bei mir war es bisher immer so, daß Mäuse, die zwangsgeputzt haben, damit wieder aufgehört haben, nachdem sich die Lebensbedingungen verändert hatten: mehr Platz, mehr Beschäftigung, Gruppenvergrößerung. Ganz pauschal kann man es nicht sagen, aber für mich ist der "typische Zwangsputzer" eine ranghohe Maus in Zweier- bis Vierergruppen, die ein bißchen nervös reagieren kann. Beispiele meiner letzten Zwangsputzer:
Weibchen, das zuvor mit einem anderen Weibchen in einer transportboxgroßen Kühlschrankbox ohne Einrichtung gelebt hat (leider kein Scherz!). Bei mir hypernervös, schreckhaft, Zwangsputzerin. Nachdem sie mit 3 Kastraten und 5 Weibchen vergesellschaftet wurde, gab sich das Verhalten. Sie hatte nun ja auch mehr Mäuse zum Putzen und viel zu tun, war im großen Gehege beschäftigt, interagierte mit den anderen Mäusen.
Kastrat, der mit seinem Bruder allein lebte. Nachdem ein Weibchen dazukam, rasierte er die Vibrissen ab. Gab sich nach ca. 1 Monat, weil er offenbar völlig putzwild auf das nette Mädel reagierte (er kannte vorher keine Weibchen).
Auf dem Foto mit den beiden Binis sind Labormäuse abgebildet. Sie sind verhaltensgestört, weil sie kaum sozialisiert wurden und ein halbes Jahr in einer nur mit Zellstoff eingerichteten Makrolonbox lebten, insgesamt sehr nervöse Tiere, die bei Stress entweder lethargisch (stereotypes Im-Kreis-Rennen) oder aggressiv (beißen) reagieren. Ehrlich gesagt ist es mir lieber, wenn sie sich zwangsputzen, als wenn sie sich beißen würden, klar. Ich glaube nicht, daß sich bei diesen beiden das Rasieren geben wird. Früher konnten sie Spannungen nur durch Stereotypien abbauen, inzwischen durch heftiges gegenseitiges Putzen, das ist mir die liebere Alternative.
Ob es sich bei deinen Mäusen wieder geben wird, muß man ausprobieren. Wieviele Mäuse hast du, auf wieviel Platz leben sie?
Zwangsputzen kann auch in größeren Gruppen auftreten, wenn es soziale Spannungen gibt, wenn zB der Chef/die Chefin stirbt oder neue Mäuse hinzukommen, manchmal weiß man aber auch nicht, was letztendlich der Auslöser war. Besonders schön ist es zwar nicht, aber die zwangsgeputzte Maus kann ja jederzeit weglaufen, wenn es ihr unangenehm wird --- das muß man im Kopf behalten. Übereifriges Putzen ist eher als netter Weg, Spannungen zu lösen, zu verstehen.