UV-Strahlen / Bedarf

Mupfeltier

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Da ich, seit über 35 Jahren, keine Tiere mehr als Mitbewohner hatte welche sich ausschließlich im Haus aufhielten stellt sich mir nun die Frage, wie die Mausels ihren Bedarf an UV-Strahlen decken können, da sie ausschließlich in Innenräumen gehalten werden.
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Hallo,


jetzt aber…

Das Problem etwas aufgedröselt für die stillen Mitleser:

Nahezu alle Wirbeltiere bilden Vitamin D selbständig, indem 7-Dehydrocholesterol (vorhanden in der Haut) durch Sonneneinstrahlung (korrekter: durch UVB-Strahlung) zu Vitamin D3 ( = Cholecalciferol) umgebaut wird. Den genauen chemischen Vorgang möchte ich jetzt nicht abtippen, wer sich dafür interessiert, findet Genaueres hier.

Um Cholecalciferol zu bilden, wird also UVB-Strahlung benötigt. Durch Fensterscheiben wird aber ein Großteil davon abgefangen. (Das Thema "Glas" ist ein ganz eigenes; Fensterscheibe ist nicht gleich Fensterscheibe. Dazu könnte jemand fachsimpeln, der davon Ahnung hat. Ich weiß jedefalls nicht, welche Fensterscheiben wieviel Prozent UVB-Strahlung hindurchlassen. Es gibt z.B. auch Fensterscheiben, bei denen zwischen zwei Glasscheiben eine PVB-Folie gelegt ist, der als zusätzlicher Filter dient; Hintergrund ist Schutz der Haut und Augen vor UV-Strahlung, Stichworte: Sonnenbrand, Hautkrebs).

Halten wir uns also zu wenig im Freien auf bzw. werden wir zu wenig UVB-Strahlung ausgesetzt, kann es zu einem Vitamin D3-Mangel kommen, der als Zivilisationskrankheit gilt. Zitat wikipedia:


Das endokrine Vitamin-D-System spielt eine wesentliche Rolle für die Regulierung des Calcium-Spiegels im Blut und für den Aufbau einer physiologischen Knochenarchitektur. Ein Vitamin-D-Mangel führt zu einer Reihe Veränderungen im Stoffwechsel, die mittelfristig zu den Krankheiten Rachitis bei Kindern und Osteomalazie bei Erwachsenen führen.


Die Situation: Tiere, die ausschließlich in Innenräumen gehalten werden, bekommen keine oder nahezu keine UV-Strahlung ab, es sei denn, man beleuchtet ein Zimmer mit Vollspektrumlampen.

Die Hausmaus, von der unsere Farbmäuse abstammen, ist nacht- bis dämmerungsaktiv und von daher sowieso niemals einer hohen UVB-Strahlung ausgesetzt. Ich dachte daher bisher immer, daß Mäuse ihren Bedarf an Cholecalciferol über die Nahrung decken würden. Aber ist das wirklich so?

Vitamin D3 ist vor allem in Fettfischen enthalten. Lachs, Hering und Co. zählen aber nicht zum Grundnahrungsmittel der Farbmaus bzw. Wildmaus. Aber im Getreidekeim kommt ebenfalls Vitamin D3 vor, ein Getreidefresser wie die Maus könnte somit tatsächlich ihren Bedarf über die Nahrung decken. Zahlen dazu habe ich aber leider keine gefunden.

Entscheidend ist auch das Ca/P-Verhältnis. Günstig ist ein Calcium-Phosphat-Quotient von 1, einige Beispiele von hier :

Petersilie (frisch): 1,91
Brennnessel (frisch): 1,67
Löwenzahn (frisch): 2,26


Zwei Zitate zum Thema aus ergiebigen Quellen zum Thema Ernährung der Farbmaus:

Text des Ausschusses für Ernährung der Versuchstiere:


Für die Schnelligkeit des Auftretens von Vitamin D-Mangelerscheinungen sind Calcium und Phosphorgehalt sowie Ca/P-Imbalanzen der Diät mitentscheidend. Das Versuchsziel 'klinischer Mangel' kann schneller erreicht werden, wenn man bereits bei den Müttern der Versuchstiere den Vitamin D-Gehalt im Futter herabsetzt. Vor allem bei Meerschweinchen und Hamster scheint unter ausgeglichenem Ca/P-Verhältnis wenig Bedarf an Vitamin D zu bestehen. Dagegen ist das Kaninchen wiederum für Rachitis sehr empfindlich.
Nachweis: Schattenfreie Epiphysenfuge der Tibia.
Mangelsymptome bei allen Spezies: Symptome der Rachitis, d. h. schlechte Knochenmineralisation, erweiterte und nicht verkalkende Epiphysenfugen.


Und auf der Suche nach Bedarfszahlen lande ich oft hier, bei einem Hersteller von Laborpellets für Versuchstiere:


Vitamin D :
AIN ist mit einer Dosis von 1‘000 IE Vitamin D / kg Futter formuliert. Die Tiere wachsen und vermehren sich dabei gut. 1‘000 IE / kg liegt jedoch wohl weit über dem effektiven Bedarf. Aber die NRC-Empfehlungen sind nicht niedriger, weil keine sensitiven Kriterien bestehen, mit denen man den Vitamin D-Status mit geringeren Aufnahmen bestätigen könnte. Die Maus scheint ziemlich unempfindlich gegen Rachitis.


Deswegen habe ich auch keine Online-Publikation zum Thema Rachitis bei Mäusen unter Normaldiät finden können.

Da es hier wirklich wenig verfügbare Texte gibt, bleibt mir nur als Fazit:
Mäuse werden als unempfindlich gegen Rachitis beschrieben.
Da sie nacht- bis dämmerungsaktiv sind, sind sie ohnehin sehr wenig dem Sonnenlicht ausgesetzt. Die Nahrung scheint hier den Bedarf an Vitamin D3 zu decken.
 
Das nenne ich mal eine ausführliche und gut recherchierte Antwort! Ein großes Lob! *anbet* Habe mir bisher nie Gedanken darüber gemacht, aber gut zu wissen!
 
I give you... Vindoatus, schier unerschöpflicher Quell an Wissen und Foren-Rechercheuer Nr. 1!


Eine Kleinigkeit möchte ich noch zu UV-B hinzufügen: den genetischen Aspekt.

UV-B ist ein starkes Mutagen der DNA.

DNA absorbiert Licht im UV-Bereich, wobei ihr Absorptionsmaximum bei 260 nm (UV-C) liegt. Absorbiert DNA Licht entsprechender Wellenlängen, entstehen bestimmte Punktmutationen im DNA-Strang, sog. Pyrimidin-Dimere: zwei nebeneinander liegende Pyrimidin-Basen, meist Thymine, verbinden sich untereinander, was die Struktur der DNA an dieser Stelle verändert. Fazit: die DNA kann nicht mehr richtig abgelesen und vervielfältigt werden.

UV-C stellt aber dennoch für Lebewesen kein Problem dar, da diese Strahlung bereits in den oberen Atmosphärenschichten absorbiert wird und nicht bis auf die Erde gelangt.
Problematischer ist UV-B. UV-B gelangt auf die Erde und wird zu einem gewissen Teil auch noch von der DNA absorbiert - mit den entsprechenden mutagenen Folgen.

Die meisten Lebewesen können solche UV-Schäden der DNA in einem gewissen Umfang reparieren bzw. tolerieren. Es gibt Enzyme, die die Dimere selbst erkennen und den Schaden direkt beheben. Und es gibt sog. proof-reading-DNA-Polymerasen, die sich von einem solchen Schaden nicht beeindrucken lassen und fehlerfrei über schadhafte DNA-Stellen hinweglesen.

Mäuse verfügen jedoch über keine sehr effiziente DNA-Schadensreparatur noch über eine sonderliche Schadenstoleranz, weshalb sie auch so leicht zu Krebs neigen. Und durch die gezielte Selektion auf Krebsanfälligkeit bei Labormäusen (von denen wiederum letztlich unsere Farbmäuse abstammen) wurden die DNA-Reparatur- und Toleranzmechanismen weiter herausgezüchtet.

Deshalb sollte man es tunlichst vermeiden, Mäusen UV-B Strahlung (direktem Sonnenlicht) auszusetzen. Nach Vindoatus´ Ausführungen scheinen Mäuse ihren Vit.D Bedarf übers Futter decken zu können. UV-B scheint also für Mäuse nicht essentiell zu sein - sondern ist im Gegenteil schädlich bzw. stark cancerogen.
 
So, mag das jetzt noch jemand zusammenfassen und in einen Wikiartikel gießen? *heilig*
 
Wobei ich finde, daß das Thema eher mehr Fragen als Antworten aufwirft...

Wenn (nachtaktive) Getreidefresser ihren Vitamin-D-Bedarf über die Nahrung decken, was tun dann nachtaktive herbivore Nicht-Getreidefresser? (Gemüse kein Vitamin-D-Lieferant.) *grübel* Wieso bekommen Kaninchen in Innenhaltung keine Rachitis? (Oder gibt es dazu lediglich keine Berichte?)
Und beim Menschen:
Bei Wikipedia ist ein Link zu einem Rechenmodell, das angibt, ab welchem Breitengrad im Winter durch mangelndes Sonnenlicht bzw. durch den Einfallswinkel der Strahlung keine Vitamin-D-Eigenproduktion mehr möglich ist; genannt wird der 52. Breitengrad (London, Ruhrgebiet). Wenn das bedeutet, daß man oberhalb dieses Breitengrads im Winterhalbjahr den Vitamin-D-Bedarf über die Nahrung decken muß, was tun dann all jene Menschen, die keine fetten Fische und keinen Lebertran zu sich nehmen (Vegetarier? Veganer?). Vegetarier (wie ich) nehmen vermutlich noch genügend D3 über Milch und Milchprodukte zu sich. Müßten Veganer dann im Winter (überspitzt formuliert) eigentlich ins Solarium gehen oder sich vor eine Vollspektrumlampe setzen, wenn sie nicht ausschließlich Vollkornprodukte essen (nur im Keim des Getreides ist D3)? *grübel* Fragen über Fragen. :D
 
Zumindest Menschen aus den heutigen Weltwirtschaftsländern dürften einen Großteil ihres generellen Vitaminbedarfes - bewusst oder unbewusst - über die Nahrung decken. Das gilt für "Allesesser" ebenso wie für Vegetarier. Man bekommt heute kaum noch Nahrungsmittel ohne Vitaminzusätze. Wer sich also nicht ausschließlich von Grundnahrungsmitteln ernährt, sondern auch Zubereitungen einkauft, erhält automatisch zusätzliche Vitamine mitgeliefert. Vit.D ist meines Wissens eines davon. Zudem neigt der moderne Mensch in unserer "convenient food und wellness"-Gesellschaft dazu, Vitaminpräparate zu konsumieren.

@ Vindoatus:

Hast Du Informationen darüber, wieviel Sonneneinstrahlung der durchschnittliche erwachsene Mensch benötigt, um seinen Vit.D Bedarf zu decken?
 
Nur ein paar Wikipedia-Zitate:

Zum Thema Anreicherung in Nahrungsmitteln:

Vitamin D3 ist kein gewöhnlicher Nahrungsbestandteil, denn die natürliche Zufuhr entspräche der Bestrahlung mit UVB-Licht, das unsere afrikanischen Vorfahren während Jahrtausenden ganzjährig großzügig zur Verfügung hatten. Erst in den letzten 10 Jahren wird zunehmend erkannt, mit welchen Zivilisationskrankheiten (außer der Rachitis und Osteomalazie) der endemische Lichtmangel der modernen Gesellschaften einhergeht. Daher wird der öffentlich zu empfehlende Tagesbedarf (RDA) an Vitamin D3 unter Wissenschaftlern und Verantwortlichen für die Gesundheitsversorgung lebhaft diskutiert. Die derzeitigen Empfehlungen werden von Forschern auf dem Gebiet als entweder irrelevant (für ausreichend UVB-lichtexponierte Personen) oder unzureichend (für die Mehrzahl der Bevölkerung in zivilisierten Gesellschaften höherer Breiten) angesehen.

Aktuelle Leitlinien in den U.S.A. empfehlen täglich 5 µg (200 IU) für Kinder und jüngere Erwachsene, 10 µg für 50–70-jährige und 15 µg für über 70-jährige. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich für Säuglinge im ersten Lebensjahr sowie für Senioren ab dem 65. Lj. 10 µg und für die anderen Kinder und Erwachsenen 5 µg Vitamin D3.

In Deutschland werden den meisten Säuglingen im ersten Lebensjahr und evt. noch im zweiten Winter täglich eine Tablette mit 12,5 µg Vitamin-D3 (500 IE) zur Rachititsprophylaxe gegeben.

Wieviel Vitamin D3 braucht man, um bei Abwesenheit von UVB-Licht einen als ausreichend angesehenden 25(OH)Vitamin D3-Serumspiegel über einen UVB-strahlungsarmen Winter zu bringen? Man hat abgeschätzt, dass die tägliche Zufuhr von 1 IU Vitamin D3 bei Erwachsenen den 25(OH)Vitamin D3-Spiegel im Blut um 0,06 ng/ml steigert (dies ist aber unterschiedlich je nach Vitamin-D-Status). Es bedarf bei ca. 80 kg schweren Erwachsenen täglich ca. 12,5–25 µg (500–1000 IU) Vitamin D3, um mittelfristig einen bestehenden niedrigen Vitamin-D3-Spiegel von 20–30 ng/ml im Blut zu halten, sofern keine Vitamin-D-Bildung durch Licht hinzukommt.

In U.S.A. und in Kanada wird die Trinkmilch regelmäßig mit 10 µg Vitamin D3 pro Liter substituiert. In Großbritannien, Irland und Australien dürfen Frühstückscerealien und Margarine mit Vitamin D3 substituiert werden. In Norwegen und Japan trägt der Fettfischkonsum zur Vitamin-D-Versorgung durch die Nahrung bei. In den meisten anderen Ländern wird mit der Nahrung kaum Vitamin D3 aufgenommen.

Seit einigen Jahren werden vermehrt Nahrungsergänzungsmittel auch mit Vitamin D3 angereichert. Die Anreicherung von Lebensmitteln des täglichen Bedarfes mit Vitamin D ist aufgrund dessen Toxizität in Deutschland derzeit hingegen verboten. Da Butter einen natürlich hohen Gehalt hat, gibt es eine einzige Ausnahmegenehmigung für Margarine, um sie ihrem Vorbild gleichwertig zu machen.

In Deutschland werden Nahrungsmittel also nicht mit D3 angereichert. Begründung: wenn man flächig anreichert, kann man nicht ausschließen, daß einzelne Menschen einer Überversorgung unterliegen, falls sie sich bereits sehr Vitamin-D-reich ernähren. (Symptome einer Überdosis: Niereninsuffizienz bzw. Tod bei starker Überdosis; nicht umsonst gibt es Mäuse- und Rattengifte, die mit D3 arbeiten.)


Die Bedarfszahlen für Menschen variieren je nach Region, in der er lebt, und Hautfarbe:

Für die blasse Haut eines hellhäutigen, jungen, erwachsenen Menschen ist die minimale Erythemdosis (wenn die Haut anfängt, rot zu werden) an einem sonnigen Sommermittag auf 42° Breite in Meereshöhe (entsprechend Boston, Barcelona oder Rom) nach 10 bis 12 Minuten erreicht, ein dunkelhäutiger Mensch benötigt entsprechend 120 Minuten. Wird die Haut dieser Menschen entsprechend ganzkörperbestrahlt, gibt sie innerhalb der nächsten 24 Stunden soviel Vitamin D3 an das Blut ab, wie wenn sie 10.000 bis 20.000 IE Vitamin D3 über die Nahrung zu sich nehmen würden (10.000 IE entsprechen 250 µg). Dies ist verglichen mit den Nahrungsempfehlungen (200–500 IE Vitamin D3 täglich) eine große Menge. Eine starke Vitamin D3-Bildung in der Haut ist also schon bei einer kurzen aber intensiven Sonnenbestrahlung mit hohem UVB-Anteil möglich.

- Werte unter 11 ng/ml bedeuten eine ernste Rachitisgefahr für Kleinkinder und Säuglinge.
- Werte unter 20 ng/ml bedeuten einen langfristig relevanten Vitamin-D-Mangel (auch wenn eine manifeste Rachitis oder Osteomalazie nur evt. später auftritt).
- Werte zwischen 30–60 ng/ml bedeuten eine physiologisch sicher ausreichende Versorgung.
- Werte über 88 ng/ml bedeuten eine Vitamin-D-Überversorgung
- Werte über 150 ng/ml bedeuten eine Vitamin-D-Intoxikation.
- Werte über 280 ng/ml führen zu ernsthaften Störungen in der Calciumhomöostase.

Bezüglich dieser Normwerte differieren die Literaturangaben.

Interessant ist, dass der Blutspiegel über einen recht weiten Dosisbereich täglicher Vitamin D-Zufuhr von 20 µg bis 250–500 µg bei Erwachsenen in einem recht konstanten Bereich von 30 bis 88 ng/ml gehalten wird und erst bei noch höheren Supplementierungen rasch ansteigt. Diese obere Grenze entspricht der maximalen täglichen Bildung des Vitamin D3 in der Haut.
 
vindoatus, schattenschwinge: ben hat das mit dem wiki-artikel nicht als scherz gemeint *zwinker*
wäre es möglich, von euch irgendwie eine zusammenfassung zu bekommen?
ich könnte es durch copy&paste und etwas wikipedia-gegoogle auch versuchen, das wäre aber garantiert voller fehler....
 
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