Hallo,
ja, ein Größenlimit ist unter den Leuten mit Großgruppen immer ein interessantes Thema.
Ich habe bei Inge eine 40er Gruppe erlebt, die völlig friedlich war, und eine andere 40er Gruppe, die immer wieder einzelne Mäuse herausgemoppt hat, so daß letztlich aus dieser Gruppe die weniger Dominanten eine eigene Gruppe bekamen.
Eine Maus kann sich doch bestimmt nicht unbegrenzt viele Gesichter merken, oder?
Wie Mausezahn schreibt, geht es dabei nicht um "Gesichter", sondern um Düfte, die ein bestimmtes Individuum charakterisieren. Die Frage, wieviele verschiedene Mäuse sich eine Maus merken kann, ist aber weiterhin tatsächlich unbeantwortet! Hier scheint es auch individuelle Unterschiede zu geben. Als Beispiel dazu mag eine ursprünglich 40 Tiere umfassende Labormausgruppe dienen:
Hier wurden immer wieder einzelne Tiere herausgemoppt, d.h. unterdrückt, gebissen, aus dem Nest vertrieben und vom Futter verjagt. Diese Tiere wurden natürlich herausgenommen, ehe sie an Stress sterben oder gar verhungern würden.
Sobald in dieser Gruppe saubergemacht wurde, wurde die Gruppe unruhig, es gab Aggressionen, die nach einigen Tagen wieder verschwanden.
Inge und ich vermuteten, daß diese Tiere sich tatsächlich nicht so viele Geruchsmuster merken konnten und deswegen nach der Reinigung auch stärker anzweifelten, wer nun Freund und wer Feind sei. Diese Mäuse beschnupperten sich auch häufiger am Hinterteil, als man es bei anderen Mäusen wohl sieht, das Schnuppern am Hinterteil bedeutet Unsicherheit über die Gruppenzugehörigkeit: gehörst du wirklich zu mir? Nomalerweise begrüßen Mäuse, die in einer Gruppe leben, einander nicht oder nur, indem sie einander kurz mit der Nase berühren.
Größere Gruppen sind oft etwas lebhafter bis unruhiger als kleinere Gruppen. Zudem kommt es vor, daß sich die Gruppe zu Schlafgemeinschaften aufteilt, also zB zwei Untergruppen in 2 Nestern schlafen, ohne daß es Aggressionen oder Jagereien gäbe.
Welche Gruppengröße nun "ideal" für Farbmäuse ist, ist nicht pauschal zu beantworten.
Ich persönlich finde Kleinstgruppen in den meisten Fällen nicht so gut, da (wie milka auch schreibt) die Gefahr groß ist, daß man zufällig Tiere zusammenhält, die nicht wirklich viel miteinander anfangen können. In der größeren Gruppen bildet sich außerdem erst das wirklich interessante Spektrum am Maussozialverhalten heraus. Zweier- oder Dreiergruppen langweilen sich recht oft. Manchmal ist aber eine Kleingruppe für die jeweiligen Mäuse das Richtige (ich habe zB zwei Zweiergruppen an Labormäusen, die damit am glücklichsten sind).
Schön in einem sehr subjektiven Sinne finde ich Gruppen zwischen 6 und 12 Tieren. Hier haben alle Mäuse mehrere Partner, jeder hat jemanden, den er besonders gerne leiden mag, es bilden sich oft kleine Freundschaften und Kuschelpartner. Außerdem hat man als Mensch noch einen guten Überblick über diese Gruppengröße und kann jedes Tier individuell betreuen und im Auge behalten. Aber das sind wiederum sehr menschliche Betrachtungen.
Bei größeren Gruppen sehe ich die Gefahr, daß der Mensch es nicht mitbekommt, wenn eine Maus erkrankt, und sie deswegen nicht oder zu spät behandelt wird. Ich fühle mich jeder einzelnen Maus gegenüber verantwortlich und fände es ungerecht, wenn Mäuse in einer Kleingruppe perfekt überwacht würden und Mäuse in einer Großgruppe "Pech" hätten und unbehandelt sterben müßten, denn es ist Zufall, ob eine einzelne Maus in einer großen oder kleinen Gruppe lebt (wir Menschen legen das ja bei den Tieren in Gefangenschaft fest).
Lebhafter in einem positiven Sinne sind Gruppen ab 6 oder 7 Mäusen aber den Kleinstgruppen gegenüber auf jeden Fall. Meine Schwester hielt jahrelang nur Zweiergruppen und staunte, als sie bei mir das Gewusel der größeren Gruppen das erste Mal erlebte, Maus-TV, wie es interessanter nicht sein kann.

Alle Mäuse scheinen andauernd irgendwas zu tun zu haben (das hängt natürlich auch mit dem Platzangebot zusammen, Mäuse in einem großen EB sind lebhafter, lebensfroher als Mäuse in einem eintönigen Hamsterknast, klar).
Was mir auch aufgefallen ist: Man kann jahrelang Zweiergruppen halten und Mäuse doch noch immer nicht kennen, weil man ganz viele Verhaltensweisen, Gesten, Körpersprache, Lautäußerungen etc. noch nie erlebt hat. Das meine ich damit, daß das volle Spektrum am Mausverhalten sich in den meisten Fällen erst ab mehreren Mäusen offenbart.
Zwei Beispiele harmonischer Gruppen: Flokatis Gruppe umfaßte ursprünglich 9 Tiere, alle schliefen in einem Nest, die Gruppe war sehr stabil. Wie in fast allen meinen Gruppen teilten sich ein Kastrat und ein Weibchen die Gruppenführung, was aber kaum erkennbar ist, höchstens daran, wer zuerst am Futter sitzt oder wer wen meistens putzt.
Semis Gruppe umfaßte ursprünglich 11 Tiere, auch diese Gruppe war friedlich, teilte sich zum Schlafen in zwei Gruppen auf, ansonsten verbrachte sie die Zeit gemeinsam. Hier gab es regelrechte Funktionen/Aufgaben, zB den Nestbaubeauftragten, den Bettelbeauftragten, den Dösenden, den Wachsamen usw.
Letzten Endes ist es ja auch die Faszination daran, wie eine Gruppe aus einzelnen Persönlichkeiten mit Charakterunterschieden funktioniert, die das Mäusebeobachten für Menschen, die das gerne tun, so interessant macht.
In der Natur ist die Größe eines Gruppe von vielen externen Faktoren abhängig: Futterangebot, Platzangebot, Druck durch Freßfeinde. Grundsätzlich teilen sich Mäusegruppen auch in der Natur auf, wenn sie zu groß werden (und zu viele Tiere zu wenig Platz oder zu wenig Nahrung beanspruchen würden). Wann diese kritische Grenze erreicht ist, hängt aber wie gesagt von mehreren externen Faktoren ab. Es muß jedoch auch genetischen Austausch zwischen unterschiedlichen Mäusegruppen geben, ansonsten würde jede Population langfristig an Inzucht aussterben.